* Gefällt Dir diese Homepage oder meinst Du es besser zu können? Erstelle deine eigene kostenlose Homepage jetzt! *

     
     
 

2. Stunde Vortsetzung der Einleitung

Das Mittelalter

Die vielfältigen magischen Traditionen der Antike tauchten in gefilterter Form im Mittelalter wieder auf. Jüdischer und arabischer Einfluß war besonders im Bereich des geheimen Wissens spürbar und auch die alten germanischen und keltischen Traditionen hatten ihre Spuren hinterlassen.

Während die mittel- und nordeuropäischen Heiden die Magie als etwas Natürliches, im Menschen und in der Natur Vorhandenes begriffen hatten, versuchte das Christentum dagegen, die Magie völlig zu entmenschlichen und der Natur zu entfremden. Für die Christen kommt die Magie nicht von innen, sondern von außen, ist nicht einmal "von dieser Welt", sondern wird von erfundenen Figuren, die sich angeblich außerhalb der natürlichen Welt befanden, geliefert. So kommt gute Magie eben in Form von Wundern vom christlichen Gott und böse Magie vom christlichen Teufel. Eine weitere Entfremdung der christlichen Lehre von der Welt ist, daß sich der Mensch die Erde untertan machen soll, anstatt wie die Heiden, im Einklang mit der Natur zu leben. Deshalb konnten und wollten die Heiden, für die Magieanwendung selbstverständlich etwas völlig Natürliches war, mit dem Christentum nichts anfangen.

Als das Christentum in Europa Fuß zu fassen begann, merkte die Kirche schon bald, daß die alten heidnischen Religionen ihr gefährlich werden konnten. Bereits im Frühmittelalter widmete sich die Kirche daher intensiv der Bekämpfung des heidnischen Erbes. Die Diffamierung der heidnischen Götter als Dämonen, ihrer Bräuche als teuflische Riten und der Umwidmung ihrer Kultstätten in christliche Kirchen seien beispielhaft genannt.

Die altchristlichen Wundertäter wie Petrus und auch viele Heilige hatten stets einen ebenbürtigen Magier (im Fall von Petrus ist es der Erzmagier und Vater der Häresie Simon Magus) als Gegner, dem sie oft mit gleicher Münze im Zauberwettkampf begegneten. Damit sollte "bewiesen" werden, daß die Macht Gottes größer ist, als die der Heiden.

Dennoch blieben noch genug dieser verhaßten heidnischen Vorstellungen unbemerkt im christlichen Bewußtsein, um später paradoxerweise sogar als christlich zu gelten. Allein die christlichen Feiertage, von denen die wichtigsten dem Heidentum entlehnt und nur mit etwas anderen Bedeutungen gefüllt wurden, sind ein Zeichen dafür. Ursprünglich besaß das Christentum als komplett jenseitig konzipierte Religion keine Feiertage. Als man aber merkte, daß das Volk an ihren heidnischen Festen und Brauchtümern festhielt, wurden diese kurzerhand assimiliert und mit christlichen Inhalten verfälscht.

Die heidnischen Magier und Hexen Europas wurden schon früh mit dem Auftreten und der Ausbreitung des Christentums in den Untergrund gedrängt. Zwar setzte die Inquisition und damit die eigentliche Hexenverfolgung erst nach 1200 ein, also einige Jahrhunderte nach der Bekehrung Europas zum Christentum, doch der Kampf gegen das Heidentum wurde schon von Anfang an geführt, also etwa nach dem Ende der Völkerwanderung, ca. ab dem 6. Jahrhundert.

Die Anhänger der alten Religion mußten mehr oder weniger hilflos zulassen, daß ihre alten Kultstätten von Kirchen überbaut wurden, und oft blieb ihnen nichts anderes übrig als zum Schein zum Christentum zu konvertieren, um diese Kultstätten noch aufsuchen zu dürfen. So wundert es auch nicht, daß Magie und Hexentum des Mittelalters deutlich christliche Züge zeigen.

Vergleichbares läßt sich etwa in Mittel- und Lateinamerika beobachten, wo das Christentum von der einheimischen Bevölkerung aufgrund der Zwangsmissionierung zwar notgedrungen angenommen, dafür aber auch mit altheidnischen Elementen "unterminiert" wurde. Auch der Voodoo-Glaube Haitis stellt, wie überhaupt viele afrokaribische Kulte eine Mischform afrikanisch-heidnischer und europäisch-christlicher Elemente dar.

Weil sie schon bald nur noch im Verborgenen arbeiten konnten, verloren die Hexen ihre Rolle als Priester für die gesamte Gemeinschaft, zumal die Priesterrolle nun von christlichen Geistlichen übernommen wurde. Einzelne - oft auch zahlreiche - Mitglieder dieser Gemeinschaften nahmen die sonstigen Dienste der Hexen zwar weiterhin in Anspruch, doch geschah all dies nur unter äußerster Geheimhaltung und unter großer Gefahr für Leib und Leben aller Beteiligter.

Es entwickelte sich eine eigene sanktionierte Methode des Umgangs mit dem Übernatürlichen, die christliche Magie. Der Wettkampf zwischen dieser Form, die sich vor allem in der Frühzeit im Wunder manifestierte, und der Magie anderer Religionen zieht sich bis in die Neuzeit hinein.

Aber kaum hatte man das Heidenproblem scheinbar einigermaßen im Griff, kamen die Ketzer, die verbreiteten, daß der Teufel die Welt geschaffen und Gott sich von dieser bösen Welt distanziert habe. Zur Vernichtung dieser Umtriebe schuf der Papst Innozenz III. im Jahre 1200 Jahrhunderts eine spezielles Einrichtung, die Inquisition, die ab 1215 sogar von den Bischöfen unabhängig wurde.

Professionell und mit dem Ziel, alle heidnischen und ketzerischen Glaubensrichtungen auszurotten, zogen die Inquisitoren durch die Länder und zwangen unter Folter die Anhänger der alten Religionen, ihrem Glauben abzuschwören und sich zur Kirche zu bekennen. Wer es aus Überzeugung dennoch nicht tat, wurde auf bestialische Weise hingerichtet. Diejenigen Christen, die sich kritisch zur Inquisition äußerten, wurden zu Ketzern erklärt und erlitten dasselbe Schicksal.

Ursprünglich nur gegen die Ketzer gerichtet, begann die Inquisition im Spätmittelalter Magie und Hexerei als Teufelswerk zu verurteilen. Anfangs noch mit Kirchenbußen und Geldstrafen belegt, fanden die Prozesse gegen Hexerei mit Einführung der Inquisition bald schon ihren grausamen Höhepunkt, und Tausende angeblicher Hexen wurden gefoltert und ertränkt oder verbrannt.

Nach einiger Zeit fiel den Verfolgern auf, daß es noch andere gab, deren Ideen nach Häresie (von allgemeiner Auffassung abweichende Irrlehre) schmeckten, einzelne, in Beschwörungen und andere dubiose Aktivitäten verwickelte Individuen, die Magier. Es waren immer Einzelne, die durch einen Anschlag auf eine hochgestellte Persönlichkeit oder als Berater einer solchen bzw. durch besonderes Wissen und eigenartige Studien ins Rampenlicht rückten und deshalb den stets wachen Neid und die Diffamierungslust ihrer politischen Gegner herausforderten.

Diese Leute hätten sich mit dem Bösen verbündet, behaupteten ihre Gegner, das ihnen alles einflüsterte, was sie nur wissen wollten, auch alles lieferte, was sie nur wünschten, Geld, Erfolg, Einfluß und Frauen. Viele der so Denunzierten landeten auf dem Scheiterhaufen.

Dennoch sprach man nicht von einer Verschwörung, oder sagte den Zauberern nach, daß sie mit dem Teufel buhlten, das blieb den Hexen vorbehalten, die seit dem 14. Jahrhundert als äußerst gefährliche Sekte verfolgt wurden.

Die reinen Magier blieben zumindest weitgehend von dieser Entwicklung verschont. Solange sie nicht auffielen, konnten sie sich im mittelalterlich-christlichen Kulturkreis auch durchaus relativ gefahrlos bewegen. Die Kirche hat zwar Magie und die Magier in Befolgung des biblischen Grundsatzes aus Exodus 22,17 "Denn eine Zauberin sollst du nicht am Leben lassen" (ursprünglich stand dort das hebräische Wort "Kasepha", das mit "Zauberin" übersetzt wurde, obgleich es "Seherin" oder "Wahrsagerin" bedeutet) schon in frühchristlicher Zeit verfolgt, aber dennoch konnte sich die Magie unbemerkt Bereiche erobern, da sie bei der Christianisierung der Heiden in verwandelter, scheinbar christlicher Gestalt, mit in die neue Religion übernommen wurde. Sogar etliche Bischöfe waren Magier und Alchemisten, z.B. Graf Albert von Bollstädt (1193 bis 1280), bekannt als Albertus Magnus, Bischof von Regensburg.


Bedingt durch die Unfähigkeit vieler Ärzte, deren Repertoire sich im Aderlaß, dem Ansetzen von Blutegeln und dem Hersagen antiker Lehrmeinungen zumeist erschöpfte, wurden die weisen Frauen auch vielfach von Städtern und Vornehmen um Rat aufgesucht und bei Geburten als Hebammen geschätzt. Im Gegensatz den Ärzten, welche sich borniert an alten Schriften griechischer Philosophen festklammerten, beobachteten, überprüften und revidierten die weisen Frauen ihre Medikationen. Bei Zusammenkünften wurde solches Wissen untereinander ausgetauscht und weiter korrigiert. Der Fundus von heilenden, schmerzstillenden, geburtserleichternden, empfängnisverhütenden und abtreibenden Pflanzenmitteln, über den diese Frauen verfügten, beeindruckte den berühmten Arzt Paracelsus (1493 bis 1541) so sehr, daß er seine medizinischen Bücher verbrannte und öffentlich erklärte, alles Wissen als Arzt ausschließlich von "klugen" Frauen und Hirten gelernt zu haben. Paracelsus
Paracelsus

Die Kenntnis psychoaktiver und aphrodisischer Pflanzen und Pilze wie Bilsenkraut, Tollkirsche, Mandragora, Fliegenpilz etc. ermöglichten es der weisen Frau, ihren Klienten sinnerweiternde und bewußtseinserweiternde Erfahrungen zu vermitteln und ihnen damit Einsicht in sich zu geben, ihnen zu mehr Freude am Leben zu verhelfen und sie für sich und ihren Stand ein neues Selbstbewußtsein gewinnen zu lassen.

Aus der Sicht heutigen Wissens, besonders nach Ergebnissen der vergleichenden Religionsforschung, erweisen sich viele der von der Kirche verteufelten Techniken und Methoden der mittelalterlichen Hexen als wichtige Teile eines abendländischen spirituellen Systems, das durch mündliche Überlieferung seit den Tagen der Druiden bis hin zu dem neuzeitlichen Hexenkult (z.B. Wicca) nie seine Bedeutung für die Menschen verloren hat, die einen ehrlichen spirituellen Weg im Einklang mit der Natur suchen.

So wundert es auch nicht, daß der antisinnlich und frauenfeindlich eingestellten Kirche im Verbund mit der eklektisch arbeitenden, schlecht reputierten Ärzteschaft und einer um ihre Autorität fürchtenden Obrigkeit die lebens- und sinnbejahenden weisen Frauen mit ihrem starken Einfluß bei den Bauern ein Dorn im Auge waren. Vereinten sie doch die Tätigkeiten eines Bauernarztes und Pharmazeuten mit denen eines Psychotherapeuten. Da sie in Methoden und Lebensführung unorthodox waren, stellten sie auch eine Anlaufstelle für allerlei fahrendes Volk dar, für Zigeuner, Gaukler und Wahrsager, für Andersdenkende, Nonkonformisten und bäuerliche Rebellen gegen die bestehenden Zwänge.

Gleich im ersten Jahr seiner Amtszeit von 1484 bis 1492 erließ der wegen seiner angeschlagenen Gesundheit und seiner schlechten Finanzlage schwache und unselbständige Papst Innozenz VIII. seine berüchtigte Ketzer- und Hexenbulle "Summis desiderantes", was eine starke Zunahme von Hexenprozessen vor allem in Deutschland bewirkte.

1487 erschien das Buch "Malleus Maleficarum" (Hexenhammer) der beiden päpstlichen Inquisitoren für Deutschland, Jakob Sprenger und Heinrich Krämer. Es enthält genaue Anleitungen, wie Hexen aufzuspüren, zu verhören, zu foltern, zu verurteilen und hinzurichten sind. Auf der Grundlage dieses kirchlichen Buches wurden Tausende Unschuldiger verfolgt, gefoltert und grausam getötet. Damit erreichte dieses dunkle Kapitel der Kirchengeschichte seinen Höhepunkt.
Papst Innozenz VIII.
Papst Innozenz VIII.

Der amerikanische Historiker Charles Lea nennt den Hexenhammer "das schauerlichste Buch der Weltliteratur" und der Sozialwissenschaftler Kurt Baschwitz bezeichnet ihn als "das ungeheuerlichste Denkmal des Aberglaubens, das die Welt hervorgebracht hat."

So spiegeln darin enthaltene Aussagen, wie "Alles geschieht aus fleischlicher Begierde, die bei den Frauen unersättlich ist" oder "Sinnt das Weib allein, dann sinnt sie Böses" oder "Also schlecht ist das Weib von Natur, da es schneller am Glauben zweifelt, auch schneller den Glauben ableugnet, was die Grundlage für die Hexerei ist", genau dieses kirchliche, menschenverachtende Denken dieser Zeit wieder. Der Hexenhammer ermöglichte es als offizielles Werk der Inquisition, nach der Ausrottung der wenigen echten Hexen, die Verfolgung beliebig auf alle Frauen auszudehnen. Der Hexenhammer verstärkte die Verfolgung enorm, und ein Hexenwahn nie gekannten Ausmaßes währte von nun an bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts hinein.

Wieviele Todesopfer es durch die Hexenverfolgung wirklich gegeben hat, kann man nicht genau sagen. Schätzungen schwanken zwischen einigen Hunderttausend. Erst für die neuere Zeit konnten Historiker einigermaßen verläßliche Zahlen liefern.

Allein im 16. und 17. Jahrhundert wurden in Europa etwa 60.000 Menschen auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Zwischen 1530 und 1730 wurden im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nationen 28.000 Menschen der Hexerei angeklagt, 76 % davon Frauen. Aber nicht überall war die Mehrheit der angeklagten Frauen. Von ca. 1520 bis ca. 1770 war dies zwar z.B. in England (89 % Frauen), Norwegen (80 % Frauen), Schottland (85 % Frauen), Schweden (85 % Frauen) und Ungarn (90 % Frauen) der Fall, in anderen Ländern war jedoch der größere Anteil der Angeklagten Männer, z.B. in Estland (60 % Männer) und Rußland (68 % Männer), in wieder anderen Ländern hielt es sich in etwa die Waage, z.B. in Finnland (51 % Männer).

In Spätmittelalter und Renaissance begannen die Stimmen gegen die Inquisition immer lauter zu werden. Doch erst im 17. Jahrhundert bewegte sich wirklich etwas. 1631 erschien in Rinteln an der Weser anonym das Buch "cautio criminalis" des Priesters Friedrich Spee von Langenfeld (15.02.1591 bis 07.08.1635). Bis 1699 wurde es 28 mal aufgelegt. Es wandte sich entschieden gegen die Methoden der andauernden Hexenprozesse und äußerte zur Untermauerung auch rechtliche Bedenken. Kritisiert wurde insbesondere, daß es dem Angeklagten unmöglich war, seine Unschuld zu beweisen. Ein rechtstaatliches Verfahren wurde gefordert und der Einsatz der Folter abgelehnt. Die Existenz von Hexen an sich wurde allerdings nicht in Frage gestellt.

Dennoch trug es maßgeblich dazu bei, daß Kritiker, auch aus den Reihen der Kirche, namhafte Ärzte und Professoren der Universitäten zu der Überzeugung gelangten, daß Menschen, die an Magie und Zauberei glaubten oder behaupteten, selbst magische Fähigkeiten zu haben, vom Wahnsinn befallen seien und somit als Kranke zu behandeln wären.

Dies war für die Kirche ein idealer Aufhänger, unter Wahrung ihres Gesichtes die Hexenverfolgung weltweit weitgehend einzustellen - und das schon nach "nur" knapp 600 Jahren. 1757 wurde im Stift Kempten wegen "erwiesener Teufelsbuhlschaft" die letzte Hexe auf deutschem Boden hingerichtet.

  • Erneute Zusammenfassung (siehe Stunde 1)
  • Was könnt ihr mir über die Freimauer sagen? (Siehe ebenfalls Stunde eins wegen den Regeln)